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Einzige originale Stumm-Orgel in Trier

Einzige originale Stumm-Orgel in Trier

1766 schrieb Johann Philipp Stumm in einem Brief, er habe gerade die sechste von seiner Firma erbaute Orgel in Trier aufgestellt. Vier von ihnen können wir zuordnen: Die Orgel des Agnetenklosters 1729, die vor 1754 gebaute Chororgel im Dom, die Welschnonnenorgel 1757 und das Instrument des Johannisspitälchens 1763. Aus dem neunzehnten Jahrhundert kennen wir noch zwei weitere Trierer Stumm-Orgeln, die Orgel in St. Gangolf 1829 und die der Garnisonskirche und evangelischen Pfarrkirche (Jesuitenkirche) um 1830. Von all diesen Instrumenten hat allein die Stumm-Orgel in der Welschnonnenkirche die Zeiten überdauert. Sie und die vier Jahre ältere Orgel in St. Paulin sind die einzigen Orgeln in der Trierer Altstadt, die aus dem 18. Jahrhundert stammen.

Gebaut hat sie die berühmte Orgelmanufaktur Stumm in Rhaunen-Sulzbach, eine Firma, deren qualitätvolles Arbeiten sich über 200 Jahre erstreckte, von 1720 bis 1920. Der im Trierer Bistumsarchiv erhaltene Orgelvertrag, am 10. Juli 1754 zwischen Oberin M. Charlotte Jacquemin und den Brüdern Joh. Heinrich und Joh. Philipp Stumm in französischer Sprache abgefasst, verpflichtet die Orgelbauer, Söhne des Werkstattgründers Joh. Michael Stumm, zur Lieferung eines detailliert beschriebenen Positivs von 11 klingenden Registern und angehängtem Pedal für die Trierer Welschnonnenkirche. Der Manualumfang betrug C-c‘‘‘ ohne das Cis, das Pedal hatte keine eigenen Register und reichte von C-d°, ebenfalls ohne Cis.

Nach mehreren schwerwiegenden Umbauten im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Orgel 2006 auf ihren ursprünglichen Zustand zurück-restauriert.

Restaurierung und aktueller Stand der Stumm-Orgel

Disposition

Die folgende Liste zeigt zunächst die im Vertrag genannten Registernamen, wie sie auch heute am Spieltisch stehen / dann die bei Stumm üblichen Bezeichnungen (und schließlich Informationen zur Herkunft der Pfeifen).

  • Montre / Principal 4’ (Rekonstruktion 2006)
  • Bourdon / Hohlpfeif 8’ (Stumm, 1757)
  • Flute traversiere / Flaut travers 8’ discant (Stumm für Kues, 1830 (Diskant ab c1))
  • Quinte / Quint 3’ (Stumm, 1757, Bass/Diskant)
  • Flutte / Flaut/Flöth 4’ (Stumm, 1757, Bass/Diskant)
  • Octave / Octav 2’ (Stumm, 1757 (2 neue Pfeifen / Bass/Diskant))
  • Tierce / Tertz 1 3/5’ (Stumm 1757, teilweise Rückordnung aus anderen Registern, 8 neue Pfeifen)
  • Mixture / Mixtur 3f. 1’ (Rekonstruktion 2006 mit 14 Originalpfeifen)
  • Cornet / Cornet 4f. 4’ discant (Teilrekonstruktion 2006, 73 Originalpfeifen 1757, 27 neue Pfeifen, Diskant ab c1)
  • Trompette / Trompet 8’ (Rekonstruktion 2006, Bass/Diskant)
  • Voix humaine / Vox humana 8’ (Rekonstruktion 2006, Bass/Diskant)
  • Tremblant doux / Tremulant (Rekonstruktion 2006)

Es wurde die Stimmung „Neidhardt 1732 - für ein Dorf“ gelegt; der ermittelte Stimmton liegt mit a’=427 Hz bei 16°C etwa einen Viertelton unter dem heute Üblichen.

Quinte, Flutte, Octave, Trompette und Voix humaine stehen auf bei h°/c’ geteilten Schleifen und können daher in Bass und Diskant getrennt gespielt werden.

Das rekonstruierte Manualklavier wurde nach dem Vorbild der Tasten in Kirchheim-Bolanden hergestellt.

Ungewöhnlich ist die beengte Unterbringung der beiden Bälge im Untergehäuse. Die Platzsituation auf der Empore ließ angesichts des Gitters zum Chorgestühl weder eine große Balganlage noch eine Windlade für eigene Pedalregister zu.

Verlauf der aktuellen Restaurierung

Als man sich um das Jahr 2000 entschloss, eine Restaurierung der Orgel in Angriff zu nehmen, wurde zunächst das Pfeifenwerk hinsichtlich Signaturen und bauartlicher Merkmale durch Prof. Dr. Eppelsheim (München) untersucht. Seine Forschungen bildeten die Grundlage der Rückordnung des verbliebenen Originalpfeifenwerks sowie der Ermittlung des Fehlbestands. Folgende original erhaltene Teile konnten ermittelt werden:

  • etwa 60% der Pfeifen
  • die Windlade mit Schleifen, aber ohne Ventilkasten
  • Das Obergehäuse ohne Rückwand

Fehlende Teile wie Spielanlage, Trakturen, Windanlage und Untergehäuse mussten stilgerecht rekonstruiert werden. Durch einen glücklichen Zufall wurden die geschnitzten Ohren des Untergehäuses in einem Schuppen auf dem Hunsrück wiederentdeckt, auch erhielt man eine Flaut travers aus der Orgel der Weißen Väter in Trier, die in ihrer Kirche Teile der Kueser Stumm-Orgel von 1830 aufgestellt hatten. Für die Trompete diente das entsprechende Register aus der Orgel von Meckenbach bei Kirn als Vorbild (Stumm, Ende 18. Jh.); die Vox humana wurde dem Register in Kleinich (Stumm 1809) nachgebaut. Dem Kanaltremulant liegt das Vorbild Schweinschied (Stumm 1834; heute in Baumholder) zugrunde. Die Manualtasten wurden im Stil der Stumm-Klaviaturen von Kirchheimbolanden rekonstruiert.

Der Auftrag ging an die Werkstätte Rainer Müller in Merxheim/Nahe, welche bereits reichhaltige Erfahrung bei Restaurierung und Rekonstruktion stummscher Werke gesammelt hatte. Die Wiedereinweihung durch Weihbischof Jörg Michael Peters war am 18. März 2007. Am Nachmittag des gleichen Tages spielte Ton Koopman aus Amsterdam das erste Konzert, das der SWR Mainz aufzeichnete und später sendete.

Zu ihrem 250. Geburtstag im Jahr 2007 hat die Stumm-Orgel der Welschnonnenkirche ihre ausdrucksstarke Klangvielfalt und konstruktive Geschlossenheit zurückerhalten. Die mustergültig, streng nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten restaurierte Welschnonnenorgel ist ein großer Gewinn für das Trierer Musikleben. In Gottesdiensten und Konzerten klingt sie zur Freude der Menschen und zur Ehre Gottes.

Rückblick: Der Umbau im 19. Jahrhundert

1917 bis 1957

Der Originalzustand blieb wohl bis ins 19. Jahrhundert unverändert. Dann wurde die Disposition, also die für den Klang maßgebliche Registerzusammenstellung dem romantischen Zeitgeschmack angepasst. Als Urheber des Umbaus vermutete der Mainzer Orgelsachverständige und Stumm-Spezialist Dr. Bösken den Trierer Orgelbauer Breidenfeld. Die Klaviaturumfänge blieben: Manual C-c3 und Pedal C-d°. Hinzugebaut wurde aber eine Zusatzlade für die bisher fehlenden Töne Cis. Die Disposition lautete zumindest von 1917 bis 1957:

(Principal 4’ im Prospekt vakant, wahrscheinlich mussten die Zinnpfeifen 1917 für die Rüstung abgeliefert werden)
Hohlpfeif 8’ original; neuer Name „Gedackt“
Flöt 4’ original; B/D
Octav 2’ original; B/D
Quint 3’ original; B/D
(Terz 1 3/5’ vakant)
Mixtur 3f. teilweise original
(Cornet 4f. vakant; Pfeifen teilweise bei Mixtur verwendet)
Bordun 16‘ neu
(Trompete 8’  vakant, vermutlich im 19. Jh. eingebautes „Clarino“ ist 1955 wieder entfernt)
Salizional 8‘ neu
Principal 8‘ neu
(Tremulant, original?)

Die Orgel hatte nunmehr 8 Register und 11 Züge. Seltsam ist, dass die mutmaßlich 1917 zwangsabgelieferten Prospektpfeifen vierzig Jahre lang nicht ersetzt wurde, wie ein s-w-Foto zeigt.

Rückblick: Restaurierung 1957/58

1958: Die Orgel kam in die Mitte der Empore 1958: Die Orgel kam in die Mitte der Empore

Fast einer technischen Zerstörung gleich kam die Restaurierung in den 1950er Jahren. Nach Plänen von Domkapellmeister Dr. Paul Schuh und dem Orgelsachverständigen Prof. Bösken führte die Orgelbaufirma Oberlinger in den Jahren 1957/58 einen erheblichen Umbau der Orgel durch. Angestrebt war eine "normale" zweimanualige vollmechanische Orgel für Konzert- und Unterrichtszwecke. Bösken konnte immerhin erreichen, dass das Hauptwerk mit seiner originalen Windlade erhalten blieb. Schuh allerdings bestand auf einem zusätzlichen Principal 8' für das Hauptwerk. Die Disposition lautete nun:

I. Manual Hauptwerk C - g3
Principal 4’ (rekonstruiert; Prospekt + 5 Innenpfeifen)
Hohlpfeif 8’ (Stumm)
Flöt 4’ B/D (Stumm)
Octav 2’ B/D (Stumm)
Quint 3’ (Stumm; Keine B/D- Teilung mehr)
Terz 1 3/5’ rekonstruiert aus alten Pfeifen
Mixtur rekonstruiert, nun 4f.
Cornet 4f. D, rekonstruiert; 4‘-Chor und 2 2/3‘-Chor Stumm
Flöt travers 8’ D,  rekonstruiert
Trompete 8’ B/D, rekonstruiert
Vox humana 8’ B/D  rekonstruiert
Principal 8‘
(Tremulant)

II. Manual Positiv, stand hinter HW, C - g3, alle Register neu
Rohrflöte 4'
Principal 2'
Quinte 1 1/3'
Cymbel 4f.
Krummhorn 8'
(Tremulant)

Pedal, stand hinter Positiv, C-d°, alle Register neu 
Subbaß 16'
Gedacktbaß 8'
Oktavbaß 8'
Choralbaß 4'
Mixturbaß 4f.
Posaune 16'

24 Register
30 Züge
3 Koppeltritte